Sattel- & Gurtzwang beim Pferd – Teil 1: Ursachen, Symptome und professionelle Lösungen

Sattel- & Gurtzwang beim Pferd – Teil 1: Ursachen, Symptome und professionelle Lösungen

Sattelzwang und Gurtzwang zählen zu den häufigsten, aber auch zu den am meisten missverstandenen Herausforderungen, die Pferdebesitzer*innen im Zusammenhang mit der Ausrüstung ihrer Tiere erleben. Viele merken irgendwann, dass ihr Pferd beim Satteln oder Gurten unruhig wird, sich wegdreht, den Bauch anspannt oder sogar droht. Die Unsicherheit ist groß – liegt es am Sattel, am Gurt oder handelt es sich um ein Verhaltensproblem?

In diesem Artikel erfährst du alles über die Ursachen, Warnsignale und professionelle Lösungsansätze.

Was genau ist Sattel- oder Gurtzwang?

Sattelzwang und Gurtzwang sind unangenehme, stressbedingte oder schmerzhafte Reaktionen des Pferdes auf das Satteln oder das Anziehen des Gurtes. Dabei handelt es sich nicht um böswilliges Verhalten des Pferdes; es versucht einfach, sich aus einer Situation zu befreien, die es als unangenehm oder sogar gefährlich empfindet.

Typische Erscheinungsformen:

- Wegdrehen oder Weglaufen beim Satteln
- Ohren anlegen, Schnappen oder Drohen
- Kopf hochreißen, Schnauben, Anspannung
- Bauch anspannen, Wegdrücken oder Festhalten
- Zucken beim Auflegen des Sattels
- Unruhe beim Nachgurten
- In schweren Fällen: Steigen, Sich-Fallen-Lassen, Kopfschlagen

Wichtig: Diese Symptome sind ein Hilferuf, denn Pferde reagieren immer aus einem bestimmten Grund.

Was ist der Unterschied zwischen Sattelzwang und Gurtzwang?

Sattelzwang

Das Pferd zeigt bereits beim Auflegen des Sattels oder wenn der Sattel in die Nähe kommt, eine Reaktion. Die Ursachen dafür sind oft:

- frühere Schmerzen durch unpassende Sättel
- Verspannungen im Rücken
- falsche Handhabung
- Angst oder Erwartungsschmerz
- Stress durch schnelles, hektisches Satteln

Gurtzwang

Hier reagiert das Pferd erst, wenn der Gurt angezogen oder nachgegurtet wird. Häufige Ursachen sind:

- zu schnelles, ruckartiges Angurten
- drückender oder scheuernder Gurt
- schlechte Gurtlage oder fehlende Polsterung
- negative Erfahrungen beim Nachgurten
- Magengeschwüre oder Magenreizungen
- massiver Stress durch falsches Timing

Oft hängen Sattel- und Gurtzwang zusammen – wenn beim Satteln Stress entsteht, kann ein Teufelskreis beginnen.

Häufige Ursachen – und warum sie oft übersehen werden

Sattel- und Gurtzwang entstehen selten einfach so. In den meisten Fällen gibt es mehrere Ursachen, die gleichzeitig wirken.

1. Ein unpassender oder schlecht sitzender Sattel

Ein schlecht sitzender Westernsattel kann:

- Muskeln einklemmen
- Die Schulter blockieren
- Druckstellen verursachen
- Den Wirbelkanal belasten
- Scheuerstellen hervorrufen

Oft bemerkt der Pferdebesitzer das Problem erst, wenn das Pferd bereits Anzeichen von Unbehagen zeigt.

2. Ein unpassender Bauchgurt

Ein wichtiger Punkt, der oft übersehen wird! Der Gurt muss:

- Im Material und in der Form zum Pferd passen
- Die richtige Breite und Länge haben
- Richtig sitzen
- Weich, flexibel und atmungsaktiv sein

Gerade harte oder zu schmale Neopren-Modelle sind häufige Auslöser. Auch zu kurze Gurte sorgen für Probleme, da die Schnalle eventuell zu tief ist und in der Bewegung reibt bzw. drückt

3. Zu schnelles Angurten

Einer der häufigsten Fehler, die Menschen machen: Der Gurt wird im ersten Schritt viel zu fest angezogen.

Pferde lernen dann: „Gurt = Schmerz = Gefahr.“

4. Schmerzen im Pferd

Nicht immer ist die Ausrüstung schuld. Häufige körperliche Ursachen können auch sein:

- Magengeschwüre
- Muskelverspannungen oder -kater
- Blockaden in der Wirbelsäule
- Kissing Spines
- Fesselträgerschmerzen
- Lahmheiten
- Rückenschmerzen durch Reiterfehler

Wenn das Pferd eine schmerzhafte Erwartung hat, reicht oft schon der Anblick des Sattels.

5. Schlechte Erfahrungen oder Trauma

Pferde vergessen nicht. Wenn ein Pferd einmal schlechte Erfahrungen gemacht hat – zum Beispiel mit einem drückenden Sattel – bleibt diese Reaktion oft bestehen, selbst wenn der Sattel längst wieder passt oder durch einen neuen ersetzt wurde.

Wie du Sattel- und Gurtzwang erkennst

Frühzeichen:
- Angespannte Bauchmuskeln
- Ohren nach hinten
- Unruhiges Schweifschlagen
- Leichtes Wegdrehen

Fortgeschrittene Zeichen:
- Drohen, Beißen
- Weglaufen beim Anblick des Sattels
- Steigen
- Losreißen beim Angurten

Je früher du handelst, desto einfacher lässt sich das Problem lösen.

Professionelle Lösungsansätze – so kommst du Schritt für Schritt ans Ziel

1. Sattelpassform kontrollieren lassen

Am besten lässt du einen erfahrenen Profi kommen damit er die Passform des Sattels kontrollieren und mögliche Probleme direkt vor Ort identifizieren kann.

2. Den passenden Gurt auswählen

Für Westernpferde empfehle ich:

  • Mohairgurte 
  • Anatomisch geformte Bauchgurte (z.B. Professional Choice 2XCool Bauchgurte)
  • Keine Lammfellgurte - Die Lammfellseite wird mit der Zeit durch Schweiß und Dreck an den Seiten hart wodurch der Gurt in der Bewegung drücken und reiben kann

Wichtig: Gurte immer langsam, Loch für Loch, nachgurten.

3. Satteln neu konditionieren

Ruhige, positive und wiederholte Abläufe sind der Schlüssel – kein Druck. Das Pferd lernt, dass „Satteln angenehm ist.“ 

Kleine Schritte:

- Sattel nur zeigen
- Sattel anlegen
- Lose gurten
- Abnehmen
- Lob
- Wiederholen

Dieser Prozess kann wahre Wunder wirken.

4. Medizinische Ursachen ausschließen

Wenn sich das Verhalten deines Pferdes plötzlich stark verändert, sollte man Folgendes überprüfen lassen:

  • Zähne
  • Magen
  • Rücken
  • Sattel- und Gurtlage

Am besten auch hier einen Profi kommen lassen - Tierarzt, Physio, Osteo, ...

5. Geduld, Ruhe und Wiederholung

Pferde brauchen Zeit, um alte Muster abzulegen. Viele Pferde, die unter Sattel- und Gurtzwang leiden, sind bereits nach wenigen Wochen deutlich entspannter – vorausgesetzt, alles wird richtig gemacht.

Was du auf keinen Fall tun solltest

❌ Schnell und fest angurten  
❌ Das Pferd festhalten oder bestrafen  
❌ Satteln, wenn das Pferd Stress zeigt  
❌ Den Sattel blind neu kaufen  
❌ Symptome ignorieren  

Die Konsequenzen können langfristige Verhaltensstörungen nach sich ziehen.

Wann sollte ein Experte hinzugezogen werden?

Sobald:

  • das Pferd wegläuft 
  • sich massiv wehrt 
  • Schmerzen vermutet werden 
  • Unsicherheiten bestehen 
  • die Ausrüstung neu bewertet werden muss  

Ein erfahrener Sattler kann die Ursachen schneller erkennen und passende Lösungen anbieten.

Fazit: Sattel- und Gurtzwang sind lösbar – wenn man die Ursache versteht.

Sattelzwang und Gurtzwang sind keine „Macken“, sondern ein Hilferuf.  
Mit einer Kombination aus:

  • korrekter Passform 
  • geeigneter Ausrüstung 
  • ruhigem Handling 
  • systematischer Gewöhnung 
  • medizinischer Abklärung  

kann fast jedes Pferd wieder entspannt gesattelt werden.

 

In Teil 2 dieses Blog zeige ich dir konkrete Übungen wie gegen Sattel- und Gurtzwang trainieren kannst.